go back
deutsche Filmfassung amerikanische Filmfassung

Im Westen nichts Neues -
All Quiet On The Western Front.




Die bewegte Geschichte eines Filmklassikers

von Thomas David Boehm

Der in weiten Teilen autobiographische Roman des jungen Journalisten Erich Maria Remarque (eigtl. Paul Remark) "Im Westen nichts Neues" war bereits ein Bestseller in Deutschland, als sich in Hollywood der Chef und Gründer der Filmgesellschaft Universal für den Stoff zu interessieren begann. Carl Laemmle stammte seinerseits aus dem schwäbischen Laupheim und hatte nach seiner Karriere vom armen deutschen Einwanderer zum amerikanischen Filmmogul stets regen Kontakt nach Deutschland gehalten.

Carl Laemmle und Remarque

Zwar hatte der eingefleischte Pazifist Laemmle nach Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg das Seinige dazu beigetragen, um mit den Mitteln des Films die alliierten Kriegsanstrengungen zu unterstützen, doch schon gleich nach Kriegsende trat er sehr engagiert für die Aussöhnung zwischen seiner neuen und seiner alten Heimat ein.

Laemmle schlug Remarque vor, die Rolle des Paul Bäumer doch selbst zu spielen, aber dieser entschied sich lieber für eine weitere Karriere als Schriftsteller. Die Rolle des Paul ging an den Newcomer Lew Ayres, der im Jahr zuvor als jugendlicher Verehrer im MGM-Stummfilm "The Kiss" Greta Garbo, den folgenschweren Kuß des Titels gegeben hatte. Als Regisseur verpflichtete man Lewis Milestone.

Der Tonfilm war ein noch sehr junges Medium als die Dreharbeiten im Jahre 1929 begannen. Zahlreiche Kinos waren noch gar nicht auf die neue Technik umgestellt, und so entstand der Film gleichzeitig in einer stummen Version mit Zwischentiteln (welche um einen Akt länger ist). In dieser Version sieht man sogar noch ZaSu Pitts in der Rolle der Mutter Paul Bäumers. Bei einer der in Hollywood üblichen Testvorführungen hatte sich ihr Auftreten allerdings als nicht geplanter Lacherfolg erwiesen, und so wurden ihre Szenen mit Beryl Mercer nachgedreht. Zu jener Zeit wurde Miss Pitts vom Publikum ohnehin fast nur noch mit komischen Rollen identifiziert. Miss Mercer kam dagegen aus dem ersten Rollenfach von der Bühne. Sie konnte damit "Sprechen" - eine Eigenschaft, die unter den Mimen Hollywoods in jener hektischen Übergangsphase vom Stumm- zum Tonfilm plötzlich zwar sehr begehrt, aber noch keineswegs selbstverständlich war.

So war es keineswegs ungewöhnlich, daß man für die Sprachaufnahmen eigens einen Dialogregisseur einsetzte, der bei den Akteuren auf die angemessene Sprech- und Stimmtechnik zu achten hatte. Bei "Im Westen nichts Neues" übernahm George Cukor diesen Part. Der "Mann mit Broadway-Praxis", der hier eine seiner ersten Filmerfahrungen sammelte, sollte später selbst zu einem der wichtigsten Regisseure Hollywoods avancieren (und nebenbei angemerkt: Auch dem Komparsen, der im Film einen Lastwagenfahrer spielte, war eine nicht minder bedeutende Karriere beschieden: Fred Zinnemann - später Regisseur von Klassikern wie "12 Uhr mittags", "Verdammt in alle Ewigkeit", etc.).

Auf dem Gelände der Filmstadt Universal City entstanden für "AII Quiet on the Western Front" über 35 Sets. Die äußerst stilechten Bauten für die alte deutsche Kleinstadt konnten sogar noch viele Jahre lang den verschiedensten Universal-Filmen als mitteleuropäische Schauplätze dienen (z.B. als das österreichische Linz im 1948 gedrehten "Brief einer Unbekannten"). Für die umfangreichen Frontszenen des Films war indes selbst das riesige Freigelände von Universal City nicht geeignet und so zog die Filmcrew etwa 70 Meilen südöstlich von Los Angeles auf einem über 40 km2 großen Areal der Irvine Ranch in den Krieg. Hier konnte man die schier endlosen Schützengräben und Schlachtfelder realistisch nachbilden.

Anders als viele ihrer Kollegen zu jener Zeit, ließen sich Regisseur Lewis Milestone und sein Kameramann Arthur Edeson die im Laufe vieler Jahre gewonnene Bewegungsfreiheit der stummen Kamera auch von der schwerfälligen Tonapparatur nicht nehmen. Filmkran Ganz im Gegenteil: Durch den intensiven Einsatz des neuen gigantischen Kamerakrans der Firma entstanden Aufnahmen, die so überzeugend wirkten, daß sie später in einigen Dokumentarfilmen als authentische Wochenschaubilder ausgegeben werden konnte.

Milestone erinnert sich später: "Ich gab die Weisung aus 'Keine zwei Kameras - nichts anderes, als bisher auch. Eine einzige Kamera, und wir drehen, wie wir immer gedreht haben'. Und das war, soweit es mich betrifft, die große TonfiImrevolution. Filmkran So simpel war das. Die ganzen langen Fahrtaufnahmen zum Beispiel wurden, wenn keine Dialoge vorkamen, mit einer einzigen stummen Kamera gedreht. (...) Für die Schlachten drehte ich sehr wenig Material, denn es war schon alles vorher ausgeklügelt. Da ich selbst von Hause aus Cutter bin, habe ich den Schnitt schon vorweggenommen. Meine Idee, jede Einstellung vorher als Zeichnung zu entwerfen, wurde bei 'Im Westen' geboren. Die Studioleitung wartete zwar die ganze Zeit darauf, daß ich kommen würde, um zu sagen: 'Für morgen will ich 10.000 haben!' aber ich habe die ganze Schlachtszene mit 150 Kerlen hingekriegt."

Zit. nach: "Lewis Milestone - chronicle of war" in "The Movie" (Chapter 2 / S.34), Orbis, London 1979

 Die eigentlichen Dreharbeiten waren bereits abgeschlossen und Kameramann Edeson schon bei seiner nächsten Arbeit, als der Film seine eigentliche Schlußszene bekam, in der Paul nach dem Schmetterling greift. Mit ihrer lakonischen Tragik wurde sie zu einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte. Sie war die Idee des gerade aus Deutschland zu Universal gekommenen Kameramanns (und späteren Regisseurs) Karl Freund gewesen, der sie auch fotografiert hat.

Filmplakat

"Im Westen nichts Neues" wurde ein immenser Erfolg f&uu